Ren kann sich nicht mit dem Tod seines Freundes Kaoru abfinden – schon, weil er nicht weiß, wie es dazu kommen konnte. Als er ein von Kaoru gezeichnetes Bild von einer jungen Frau findet, zieht er los, diese zu finden. Denn er will die wenigen Puzzle-Stückchen an ihren Platz bringen, um ein vollständiges Bild zu bekommen und zu verstehen, was in seinem besten Freund vorgegangen sein mag. Ren versucht verzweifelt, den Ereignissen einen Sinn zu geben und sich selbst vom Schatten dieser Freundschaft zu befreien, um sich der Zukunft – seiner Zukunft – zuwenden zu können.
Was können wir übereinander wissen, selbst wenn wir uns Freunde nennen? Regisseur Nakagawa gelingt es meisterhaft, den Zuschauer die nagenden Fragen seines Protagonisten mitfühlen zu lassen – indem er den Zuschauer ebenso im Unklaren lässt über die Beziehung der beiden Männer wie auch ihre Vergangenheit. Wir sehen Rens Verzweiflung, seine Erinnerungen und seine Versuche, sich mit den Dingen abzufinden, aber Nakagawa erklärt uns seine Figur nicht. Diese Lücken in der Erzählung füllen zu wollen, Ungesagtes zu denken und sich aus Indizien eine eigene Geschichte machen zu wollen – auf einzigartige Weise lässt Nakagawa im Kopf seiner Zuschauer ihre eigene Version der Ereignisse erzählen. Mit gerade einmal 26 Jahren ist Nakagawa der jüngste Regisseur, dessen Filme in zwei Jahren nacheinander beim Tokyo International Film Festival gezeigt wurden – und auch dieses zweite Werk, August in Tokyo, zeigen wir im Rahmen des JFFH in diesem Jahr. Und sein Talent beeindruckt noch mehr, wenn man in Betracht zieht, dass er bei beiden Filmen nicht nur Regie führte, sondern auch die Drehbücher schrieb. • Vivian Wille